Care beyond Repair
Heike Drotbohm
Sich zu kümmern, Sorge zu tragen – für andere Menschen, Kollektive, Pflanzen, Tiere oder das Klima - ist ein alltäglicher und allgegenwärtiger Akt. Irgendwann im Leben ist fast jeder Mensch auf Sorge angewiesen, wird versorgt oder kümmert sich um Andere. In der Ethnologie bietet der Begriff der (Für-)Sorge ein analytisches Werkzeug, um die Eventualitäten des Lebens zu betrachten und zu verstehen, wie Menschen verschiedenen Arten von Handlungen, Einstellungen und Werten Bedeutung zuschreiben. Dieses Kapitel argumentiert, dass die normative Dimension des Sorge-Konzepts Teil eines kulturellen Binarismus ist, der die Welt nach unterschiedlichen Daseinsbereichen hierarchisiert. Es konzentriert sich auf diese begriffsimmanente Normativität und unterscheidet drei komplementäre empirische Felder: Sorge als (globalisierte) soziale Reproduktion, Sorge als institutionalisierte Asymmetrie und Sorge jenseits des menschlichen Exzeptionalismus. Um über unser eigenes (möglicherweise oder zwangsläufig) akademisches, eurozentrisches oder anthropozentrisches Verständnis des Konzepts hinauszugehen, schlägt dieser Beitrag vor, Sorge unabhängig von diesen Normativitäten („beyond repair“) zu betrachten, indem zum einen auch der Beitrag der Forschung zu diesen differenzierenden Ethiken einbezogen wird, und indem sich zum anderen auch mit jenen Perspektiven und Positionen befasst wird, die auf den ersten Blick wenig sedimentiert oder artikuliert erscheinen.
Drotbohm, Heike 2022: Care beyond Repair. Oxford Research Encyclopedia of Anthropology. New York: Oxford University Press.