Freiheit von oder Freiheit zur Sexualität? Verhandlungen von Autonomie und Sexualität in Debatten der Sexualpädagogik des 20. Jahrhunderts
Miriam Brunnengräber
„Aufgabe von Sexualpädagogik und sexueller Bildung ist es, Menschen auf ihrem Weg zu sexueller Selbstbestimmung und Verantwortlichkeit zu begleiten und zu unterstützen“ (isp 2022). So beschreibt das Institut für Sexualpädagogik, eine der zentralen Institutionen der Sexualpädagogik in Deutschland, heute das Kernanliegen sexualpädagogischen Arbeitens. Mit der Orientierung an sexueller Selbstbestimmung macht sich die Sexualpädagogik die Befähigung zu einem selbstverantwortlichen Umgang mit der eigenen Sexualität unter Wahrung der Grenzen anderer zur Aufgabe. Als wichtige Legitimationsfigur dienen internationale wie nationale Dokumente der Debatte um sexuelle (Menschen-)Rechte, etwa die Yogyakarta-Prinzipien oder die IPPF-Charta der sexuellen und reproduktiven Rechte. Gemeinsamer Bezugsrahmen ist das individuelle Recht, frei über den eigenen Körper verfügen sowie die eigene sexuelle Identität frei ausdrücken zu können.
Ein solches Verständnis von selbstbestimmter Sexualität ist nicht notwendig gegeben, sondern Ergebnis und Gegenstand konflikthafter diskursiver Aushandlungen, die auch innerhalb des sexualpädagogischen Fachdiskurses ausgetragen wurden. Wie das Verhältnis von Sexualität und Selbstbestimmung bzw. Autonomie disziplingeschichtlich unterschiedlich verhandelt und welche ‚Sexualität‘ dabei jeweils mitkonstruiert wurde, lässt sich beispielhaft anhand der Gegenüberstellung zweier sexualpädagogischer Programme rekonstruieren, deren zentrale Texte im Folgenden knapp beleuchtet werden.“
Brunnengräber, Miriam 2022: Freiheit von oder Freiheit zur Sexualität? Verhandlungen von Autonomie und Sexualität in Debatten der Sexualpädagogik des 20. Jahrhunderts, in: History | Sexuality | Law, Blog des DFG-Projekts „Menschenrechte, queere Geschlechter und Sexualitäten seit den 1970er Jahren“, 06.07.2022.